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[IP-OA_Forum] INFO: Mash-ups für Professoren

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  • From: "M. Roesener" <Roesener@Hep-to-date.de>
  • To: Expertenforum für die Informationsplattform Open Access (http://openaccess-germany.de/) <ipoa_forum@lists.spline.inf.fu-berlin.de>
  • Date: Sat, 14 Jul 2007 13:21:47 +0200
  • Reply-to: Expertenforum für die Informationsplattform Open Access (http://openaccess-germany.de/) <ipoa_forum@lists.spline.inf.fu-berlin.de>
  • Subject: [IP-OA_Forum] INFO: Mash-ups für Professoren

http://www.heise.de/tr/artikel/print/92138

Technology Review

06.07.07
Infotech | Internet
Mash-ups für Professoren
Von Steffan Heuer
Technology Review 07/2007, Report

Digitale Formate und der Siegeszug des Internets stellen das Geschäftsmodell
einer Branche mit Umsätzen in Milliardenhöhe und zweistelligen Gewinnspannen
in Frage. Gefahr ist im Verzug, rechtliche Fragen sind ungeklärt. Politiker
scharren mit den Füßen, Nutzer organisieren sich in Gruppen und sammeln
Unterschriften, neue Geschäftsmodelle mit radikalen Konzepten sprießen auf
dem umkämpften Feld. Eine Gruppe von entschlossenen Vordenkern propagiert
gar offenen Zugang für die ganze Welt.

All das klingt nach einer Neuauflage der Schlacht von Internet-Tauschbörsen
wie Napster gegen die Musikindustrie. Doch diesmal geht es nicht um Hits,
sondern um so trockene Themen wie kristalline Chemie, Teilchenphysik,
Molekularbiologie und Medizin. In der ansonsten eher zurückhaltenden
akademischen Welt braut sich ein Sturm zusammen über "Open Access", also den
weitgehend ungehinderten Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln und den ihnen
zugrunde liegenden Daten: "Wir stehen vor einer Revolution in der
wissenschaftlichen Kommunikation. Die heutigen Geschäftsmodelle sind nicht
haltbar und werden von einer Ära der wissenschaftlichen Mash-ups abgelöst
werden", sagt Tony Hey, Doktor der Physik und derzeit verantwortlich für den
Bereich Technical Computing bei Microsoft Research.

Als ehemaliger Dekan einer Fakultät an der Universität Southampton erlebte
Hey aus erster Hand, in welcher Zwickmühle sich Wissenschaftler tagtäglich
befinden, wenn es um ihre Fachliteratur geht: Wer seine Karriere
vorantreiben will, muss forschen und seine Ergebnisse in möglichst
renommierten Journalen veröffentlichen - von "Nature" und "Science" bis zu
einschlägigen Spezialtiteln wie "Stroke". So weit, so schwierig. Doch wer
Fachbeiträge nicht nur veröffentlichen, sondern auch lesen will, muss
kräftig zahlen - selbst Hochschulen, aus deren Reihen die Autoren eines
Artikels stammen, oder Stiftungen, die eine Studie finanziert haben, müssen
die oft teuren Journale in gedruckter oder elektronischer Form abonnieren.
"Ich war regelmäßig in der Situation, dass ich nicht einsehen konnte, was
die Mitglieder meiner eigenen Arbeitsgruppe geschrieben hatten, weil wir uns
das Abonnement nicht leisten konnten", erinnert sich Hey.

Die weltweit rund 24000 Fachzeitschriften, die pro Jahr geschätzte 2,5
Millionen von Fachkollegen überprüfte ("peer reviewed") Artikel
veröffentlichen, sind ein einträgliches Geschäft. Verlage lassen sich das
Dienstleistungsbündel aus Redigieren, Kommentieren und Veröffentlichen
reichlich vergüten, obwohl sie weder den Autoren noch den Rezensenten
Honorare zahlen. Dank Konsolidierung teilen sich die zehn größten
Fachverlage im Bereich wissenschaftlicher, technischer und medizinischer
(STM) Fachzeitschriften etwas weniger als die Hälfte eines Marktes, der 2005
weltweit für rund 19 Milliarden Dollar Umsatz gut war (siehe Grafik Seite
31). Und die Gewinne sprudeln: John Wiley & Sons etwa vermeldete für das
vergangene Geschäftsjahr eine operative Marge von 14,5 Prozent, die
britische Reed-Elsevier-Gruppe 16 Prozent.

Gleichzeitig aber klagen Universitäten über astronomische Abonnement-Preise.
Die Kostenzuwächse für Fachzeitschriften liegen seit Jahren deutlich über
der Inflationsrate in allen Industrienationen - die Preise für Abonnements
haben sich zwischen 1986 und 2000 verdoppelt und sind allein im vergangenen
Jahr um knapp acht Prozent gestiegen. Und hier geht es nicht, wie bei
Publikumszeitschriften, nur um ein paar Euro: Das durchschnittliche
Chemiejournal kostet im Jahresabo inzwischen umgerechnet 2522 Euro, ein
Ingenieurblatt um die 1523 Euro, so eine aktuelle Erhebung des "Library
Journal". Dabei bewegen sich deutsche Fachzeitschriften mit jährlichen
Abonnementkosten von 788 Euro recht genau im Durchschnitt, die Niederlande
liegen mit 2473 Euro einsam an der Spitze. Bibliothekare sehen sich deshalb
seit einiger Zeit gezwungen, Zeitschriften-Abos abzubestellen.

Die Überschrift für die Preisübersicht in dem Branchenblatt lautet "Serial
Wars", "Serienkriege" also. Weit hergeholt erscheint sie nicht: Verleger
üben Druck auf Hochschulen aus, da sie der Meinung sind, dass Sammellizenzen
für den elektronischen Zugang zu ihren Titeln für ein gesamtes Labor oder
einen Campus zu großzügig genutzt oder missbraucht werden.

So berichtet der Chemiker Peter Murray-Rust, Leiter einer Forschungsgruppe
an der Universität Cambridge, von einem großen Verlag, der ein
Inspektionsteam zu einem Labor entsandte, um dort für angebliche übermäßige
Nutzung sei- ner Produkte Geld einzutreiben. "Wir stehen kurz vor einem
Krieg mit den Verlegern, wenn sich nichts ändert", sagt Murray-Rust. Die
Angegriffenen aber halten sich zumindest mit öffentlichen Äußerungen vornehm
zurück: Die Fachverlage Springer und Wiley sowie der Verleger von "Science",
die Technology Review um eine Stellungnahme bat, wollten sich zum Thema Open
Access nicht äußern.

Ihre Gegner werden dafür umso deutlicher: Als "Dinosaurier mit Gnadenfrist"
bezeichnet Barbara Cohen die ungeliebten Verlage. Die ehemalige Redakteurin
beim Fachmagazin "Nature Genetics" vergleicht das Verfassen einer
wissenschaftlichen Arbeit mit einer Geburt: "Es dauert eine Weile, ist
äußerst schmerzhaft, und man freut sich, wenn das Baby endlich auf der Welt
ist. Mit einem entscheidenden Unterschied: Bei Fachartikeln gehört das Kind
der Hebamme. Die Verlage bestimmen, welche Besuchsrechte die Eltern haben,
und man muss dafür auch noch bezahlen."

Viel zu lange schon sei die Branche mit diesem Modell ungeschoren
davongekommen, sagt Cohen. In ihrem neuen Job bei der Public Library of
Science (PLoS) in San Francisco arbeitet sie nach Kräften daran, das zu
ändern. Im Herbst 2000 als akademische Bürgerinitiative für Open Access ins
Leben gerufen, hat sich PLoS zu einem der ersten unternehmerischen Vorstöße
entwickelt, die das traditionelle Verlagsmodell auf den Kopf stellen. Der
Ausgangsgedanke ist einfach: "Im digitalen Zeitalter kostet nur das erste
Exemplar Geld, alle weiteren sind kostenneutral", erklärt Cohen, "wenn ich
meine Kosten darüber decke, trägt sich das Modell, und ich kann allen Lesern
den offenen Zugang erlauben."

Bei den bislang fünf Online-Magazinen der Organisation zahlen deswegen die
Autoren oder ihre Förderinstitutionen eine einmalige Gebühr von gegenwärtig
2500 Dollar, wenn sie einen Artikel einreichen. Laut Cohen sind die
Veröffentlichungskosten bei den meisten Forschungsstipendien bereits
einkalkuliert, in Härtefällen wird die Gebühr erlassen.

Sobald ein Artikel den Peer-Review-Prozess bei der PLoS durchlaufen hat, ist
der Volltext online kostenlos zugänglich; auch der Zugriff aufs Archiv ist
gebührenfrei. Ein ähnliches Modell verfolgen BioMed Central, das kanadische
Journal Open Medicine sowie der indische Verlag Hindawi, der rund 60
naturwissenschaftliche Fachzeitschriften nach der Open-Access-Methode
veröffentlicht. Insbesondere an Forscher in Entwicklungsländern gerichtet
ist ein Open-Access-Archiv namens Hinari, das mit Hilfe der
Weltgesundheitsorganisation WHO gestartet wurde.

Vom Silo zur Web-Software

Weltweit gibt es heute ungefähr 2600 Open-Access-Zeitschriften. Das ist zwar
ein Viertel mehr als 2005, aber immer noch eine kleine Insel im Meer der
kostenpflichtigen Angebote. Die steilen Zuwachsraten zeigen jedoch, dass
viele Akademiker auf die Gelegenheit gewartet haben und dafür auch das
Risiko in Kauf nehmen, statt in den angesehensten Journalen nur in neuen
Nischenpublikationen abgedruckt zu werden. PLoS Biology etwa verzeichnete
1891 eingereichte Artikel in 2005, von denen 330 veröffentlicht wurden. Im
Jahr darauf stieg die Zahl auf 4127 Einreichungen zu 689 Veröffentlichungen.
Wissenschaftler aus etwa 50 Ländern bieten ihre Artikel inzwischen in San
Francisco an.

Für die drei Gründer von PLoS, darunter der Nobelpreisträger Harold Varmus,
ist das der Anfang einer Revolution, bei der Akademiker, Hochschulen,
Fördereinrichtungen und Web-Programmierer an einem Strang ziehen: "Open
Access wird es Wissenschaftlern erlauben, Fachliteratur in etwas weitaus
Nützlicheres zu verwandeln als nur das elektronische Äquivalent von
Millionen Einzelartikeln, die sich in Bibliotheksregalen aufreihen", schrieb
das Trio in einem Geleitwort zur ersten Ausgabe von PLoS Biology. Denn
letztlich geht es PLoS und Wissenschaftlern wie Hey oder Murray-Rust darum,
das wissenschaftliche Arbeiten vom Experiment bis zum fertigen Paper ins
Web-Zeitalter zu befördern, in dem Offenheit und Kollaboration an erster
Stelle stehen.

Die elektronische Veröffentlichung eines Fachaufsatzes ohne
Zugangsbeschränkungen ist dabei nur der erste Schritt - aber selbst dazu
bedurfte es fast zwei Jahrzehnte Pionierarbeit: Akademiker fordern bereits
seit Anfang der 90er-Jahre, Forschungsergebnisse in freien Archiven
zugänglich zu machen. Den Anfang machte der Physiker Paul Ginsparg an den
Los Alamos Labors, der 1991 einen arXiv genannten Dienst einrichtete, in dem
seine Fachkollegen die letzte Version eines Aufsatzes vor der
Veröffentlichung deponieren konnten. Heute wird das Archiv mit mehr als
400000 Manuskripten an der Cornell-Universität gepflegt.

Ginspargs Idee fand Nachahmer in den Computerwissenschaften,
Wirtschaftswissenschaften und anderen Disziplinen, aber es blieb bei losen
Sammlungen von nach Disziplinen getrennten Silos, in denen es jedem
Wissenschaftler überlassen bleibt, seine Arbeiten einzuspeisen oder nicht.
Die zweite Hälfte der 90er-Jahre brachte das große Erwachen der
Open-Access-Bewegung mit sich - angestoßen vom offenen Charakter des Human
Genome Projects und dem Heraufziehen des Webs samt neuartiger Suchmaschinen,
die Wissen plötzlich einem globalen Publikum präsentieren. Die National
Institutes of Health in den USA, Herr über knapp 14 Milliarden Dollar an
Fördergeldern im Jahr, starteten 1999 unter Führung ihres damaligen Chefs
Harold Varmus die E-biomed-Datenbank. Was ursprünglich alle mit
Steuergeldern geförderten Aufsätze umfassen sollte, wurde allerdings
aufgrund des Widerstands der Verlage zu PubMed Central gestutzt, einer
Datenbank hauptsächlich mit Zusammenfassungen und Aufsätzen, die erst ein
halbes Jahr nach ihrer Erstveröffentlichung aufgenommen werden.

Etwa zur gleichen Zeit begannen Universitäten, Standards und
bedienerfreundliche Software zu entwickeln, um das Deponieren von
Forschungsarbeiten und die Suche danach zu vereinfachen. Die Universität
Southampton in Cornwall, an der Microsoft-Forscher Hey damals arbeitete, war
der Pionier und veröffentlichte im Jahr 2000 eine EPrints genannte Software,
gefolgt vom MIT, das gemeinsam mit den Hewlett-Packard Labs seine eigene
Variante namens DSpace entwickelte. Heute sind weltweit rund 20 verschiedene
Software-Systeme in mehr als 1400 Hochschul- und anderen akademischen
Literaturdeponien im Einsatz, schätzt Hey.

Archivieren nach Farben

Auch wenn die vielen Systeme unterschiedliche Datenmodelle und Dienste
benutzen, sind sie grundsätzlich kompatibel und ermöglichen eine noch vor
wenigen Jahren unvorstellbare Recherche-Bandbreite. Und auch die
Universitäten selbst profitieren: "Wer in Zukunft als Forschungseinrichtung
international sichtbar sein will, muss im Web auffindbar sein", sagt Hey und
verweist auf Suchmaschinen wie OAIster - ein Projekt der Universität
Michigan, das einen Metaindex von rund zwölf Millionen Dokumenten an bald
800 Institutionen angelegt hat. Der Google-Dienst Scholar wiederum, seit
Ende 2004 als Spezial-Suchmaschine nach wissenschaftlichen Aufsätzen
verfügbar, dient mittlerweile als Referenz für Uni-Rankings - je höher die
Artikel ihrer Forscher in den Suchergebnissen erscheinen, desto besser die
Bewertung des akademischen Erfolgs einer Hochschule.

Für einige Akademiker geht diese Öffnung allerdings weder schnell noch weit
genug. Einer der lautstärksten Wortführer der Open-Access-Bewegung ist der
aus Ungarn stammende Kognitionswissenschaftler Stevan Harnad. Seiner Ansicht
nach sollte jedem Forscher die Selbstarchivierung aller für eine
Veröffentlichung in Fachzeitschriften angenommenen Artikel vorgeschrieben
werden - "ohne Ausnahme, ohne Verzögerung". Für Harnad liegen die Vorteile
dieses Vorgehens auf der Hand: Offen zugängliche Artikel würden deutlich
häufiger und mit weniger zeitlichem Abstand von der Fachwelt zitiert,
verbreiten also neues Wissen weiter und schneller. Offene Forschung erhöhe
damit den Einfluss wissenschaftlicher Arbeit und treibe den Fortschritt
voran.

"Geldgeber und Universitäten werden verpflichtend vorschreiben, dass
Veröffentlichungen in ihren eigenen institutionellen Lagern gespeichert
werden", sagt Harnad voraus. Die Folgen für die etablierten Verlage
interessieren den in Montreal lehrenden Wissenschaftler dabei herzlich
wenig: Wenn sich das Abo-Modell in einem offeneren Umfeld nicht mehr rechne,
müssten sie eben auf Open Access umsteigen, ihre Kosten also durch
Veröffentlichungsgebühren wieder hereinholen.

Doch so schön und simpel diese Vision klingt, so schwer ist sie zu
realisieren. Bislang sind nur geschätzte 10 bis 15 Prozent aller
Forschungsarbeiten offen zugänglich - die Mehrzahl der Forscher weiß
entweder über ihre Rechte als Urheber nicht Bescheid, kümmert sich nicht um
Alternativen zum herkömmlichen Modell oder will sich nicht mit der
freiwilligen Selbstarchivierung herumschlagen. Und auch die Hochschulen
wissen oft nicht, wie wenig Zeit und Geld sie investieren müssen, um ein
eigenes Archiv zu installieren: Die nötige Hardware samt
Open-Source-Software ist laut Experten wie Arthur Sale von der australischen
University of Tasmania für eine einmalige Investition von rund 5000 Dollar
zu haben. In Großbritannien haben sich rund zwei Dutzend Universitäten zum
Sherpa Project zusammengetan, das Wissenschaftlern beim Archivieren in
Eigenregie helfen soll: Seine Romeo-Datenbank listet nach einem einfachen
Farbschema auf, welcher Fachverlag wie viel davon erlaubt, Juliet verrät,
welche Fördereinrichtung wie viel davon verlangt.

Literatur zum Leben erwecken

Die Schwierigkeiten beim Umdenken gelten für alle, doch je nach Land zeigen
sich deutliche Unterschiede darin, wie schnell es vorankommt. Die
Niederlande etwa unterhalten ein landesweites Netz aus drei
Artikel-Repositorien, in denen insgesamt an die 200000 Forschungsarbeiten
abgelegt sind. An deutschen Hochschulen dagegen finden sich zwar 112
Repositorien - beim genaueren Hinsehen zeigt sich allerdings, dass die
wenigsten davon häufig aktualisiert werden. So unterhält die Universität
Bielefeld seit September 2002 ein Archiv, aber es umfasste Ende April 2007
gerade einmal 823 Dokumente; im Archiv der Universität Potsdam, das gut zwei
Jahre alt ist, befinden sich rund 1400 Dokumente. Im Gegensatz zu
Einrichtungen in Australien, Portugal und Großbritannien schreibt bislang
keine einzige deutsche Universität die Selbstarchivierung zwingend vor.

Trotzdem haben viele Verlage schon auf den Ruf nach mehr Offenheit reagiert.
Einer der Wendepunkte war die Budapest Open Access Initiative, die das Open
Society Institute des Multimilliardärs und Mäzens George Soros im Jahr 2000
anschob. Ihr folgten weitere Konferenzen und Deklarationen - sowie die
Entscheidung von bislang knapp zwei Dutzend Verlagen, darunter Springer und
Oxford University Press, ihren Autoren zumindest ein Hybrid-Modell
anzubieten, das bestimmte Formen der Selbstarchivierung erlaubt: Wer vorweg
eine Gebühr zahlt, kann seinen Aufsatz in vielen Fällen offen zugänglich
machen oder schneller online stellen. Die Regeln variieren jedoch von
Zeitschrift zu Zeitschrift, sodass unter Akademikern weiterhin Verwirrung
herrscht, was wo erlaubt ist; die Vorabgebühren liegen zwischen 795 und 3100
Dollar pro eingereichtem Aufsatz.

Die Verfechter der reinen Lehre sehen bei solchen Misch-modellen ohnehin
reichlich Probleme. Ihnen schwebt eine Welt von nach allen Richtungen
offenem wissenschaftlichem Arbeiten nach dem Vorbild moderner
Web-2.0-Angebote vor: Webdienste sollen ganz ohne verlagseigene Grenzzäune
automatisch Zusammenfassungen und Volltext-Dateien mit Leserkommentaren und
anderen interaktiven Komponenten bündeln und für jeden Nutzer dynamisch
darstellen können - Mash-ups für Professoren sozusagen. "Wir wollen
akademische Literatur zum Leben erwecken", sagt PLoS-Redakteurin Cohen. In
ihrer alle Disziplinen umfassenden Web-Publikation PLoS One können Leser
Artikel bereits mit Randnotizen versehen und kommentieren. Da die Software
dafür Open Source ist, hofft Cohen, dass andere Programmierer zusätzliche
Funktionen basteln werden. Und weil alle Artikel in PLoS unter einer
Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht werden, könnten Dritte auf dieser
Grundlage sogar neue, gewinnorientierte Produkte entwickeln und vertreiben.

Vordenker Hey propagiert sogar ein noch umfassenderes Modell - nicht nur die
Ergebnisse in Artikelform sollen frei verfügbar werden, sondern auch die
Basisdaten wissenschaftlicher Arbeit. "In ein paar Jahren werden
Fachaufsätze keine toten PDFs mehr sein, sondern Links besitzen, mit denen
man auf die Datensätze zugreifen, eigene Berechnungen anstellen und Daten
vermessen kann. Wissenschaftler werden sich über Blogs, Wikis, Tagging
austauschen - all das geht aber nur, wenn Open Access allgemein akzeptiert
ist", sagt er. Die Hochschulwelt brauche dazu neben Archiven bessere
Suchmaschinen. Dabei könnten die großen kommerziellen Anbieter wie Google,
Microsoft und Yahoo helfen, sowie Suchwerkzeuge, mit denen Unternehmen heute
ihre eigenen Daten und die der Konkurrenz analysieren.

In Ansätzen ist die Welt der akademischen Mash-ups bereits vorhanden.
Connotea etwa ist eine Webseite, die das Auszeichnen ("tagging") von
Fachaufsätzen mit selbst gewählten Stichworten wie beim
Online-Bookmark-Dienst del.icio.us erlaubt; Faculty of 1000 ist die
akademische Version von kollaborativen Filterseiten wie Digg, bei der sich
beachtenswerte Forschungsergebnisse in einem Fachgebiet per Abstimmung
hervorheben lassen. Einzelne Disziplinen experimentieren mit Blogs, Wikis
oder Online-Labor-Logbüchern wie Useful Chemistry oder AstroGrid, um
ungeklärte Fragen in die globale Runde zu werfen. "Manchmal sind es nur
Beobachtungen, die zu nichts führten, oder ein Experiment, das gescheitert
ist", erklärt Hey, "für eine förmliche Veröffentlichung kämen solche Dinge
nicht in Frage, aber sie können anderen Forschern enorm weiterhelfen, wenn
sie nur davon wüssten."

Mittlerweile hat sich mancherorts auch die Politik eingeschaltet, um das
Thema Open Access voranzutreiben. Im US-Kongress steht eine
Gesetzesinitiative namens Federal Research Public Access Act (FRPAA) zur
Debatte, nach der alle mit Steuergeldern geförderten Arbeiten öffentlich
zugänglich gemacht werden müssten; Unterstützung kommt von großen
Universitäten. In Europa ist es noch nicht so weit, aber eine Petition an
die Europäische Union gewinnt rapide an Zulauf: Bislang etwa 20000
Einzelpersonen und rund 1000 namhafte Institutionen haben sich der Forderung
an die Europäische Kommission angeschlossen, der Öffentlichkeit Zugang zu
mit öffentlichen Mitteln geförderter Forschung "kurz nach Veröffentlichung"
zu gewähren.

In Deutschland allerdings geht die Entwicklung derzeit eher in die andere
Richtung: Es steht zu befürchten, "dass der für Forschung und Lehre
unabdingbare Zugriff auf das publizierte und mit öffentlichen Mitteln
erstellte Wissen durch neue Vorschriften erheblich behindert wird", sagt
Rainer Kuhlen von der Universität Konstanz.

25-jährige gegen Blödsinn

Kuhlen ist Sprecher des Aktionsbündnisses "Urheberrecht für Bildung und
Wissenschaft". Was den Professor so besorgt macht, sind Regelungen in der
anstehenden Novelle des deutschen Urheberrechtes. Die klingen in der Tat
weniger nach öffentlichem Zugang als nach den drakonischen Vorschriften, mit
denen auch die Musik- und Filmlobby ihr wankendes Geschäftsmodell schützen
will.

So soll nach dem derzeitigem Stand vorgeschrieben werden, dass elektronische
Bestände einer Bibliothek nur in deren eigenen Räumen eingesehen werden
dürfen. Ebenso ist geplant, Büchereien die Auslieferung elektronischer
Dokumente zu untersagen, wenn ein Verlag mit entsprechenden
Konkurrenzangeboten auf den Markt kommt. Obendrein fehlt in der Novelle
bislang die Regelung, wonach das Nutzungsrecht an einem Artikel spätestens
ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung an den Autor zurückzugeben ist.

Doch zum Glück ist nicht alles Politik: Wenn die Gesetzgeber nicht
mitziehen, schätzt der britische Chemiker Murray-Rust, wird der nötige Druck
zum Wandel eben von Geldgebern wie dem Wellcome Trust ausgehen. Die weltweit
größte Stiftung für medizinische Forschung hat es schon Ende 2005 zur
Vorbedingung für die Vergabe von Fördermitteln gemacht, dass alle späteren
Berichte bei PubMed Central archiviert werden. "Organisationen wie Wellcome
werden für Wandel sorgen", sagt Murray-Rust, "und natürlich diejenigen, die
heute 25 sind und sich den Blödsinn nicht mehr gefallen lassen."
(bsc[1]/Technology Review)

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