To: "Expertenforum für die Informationsplattform Open Access (http://open-access.net/)" <ipoa-forum@lists.fu-berlin.de>
Date: Mon, 7 Oct 2013 11:04:47 +0200 (CEST)
Reply-to: Expertenforum für die Informationsplattform Open Access (http://open-access.net/) <ipoa-forum@lists.fu-berlin.de>
Sensitivity: Normal
Subject: Re: [IP-OA_Forum] Problem von CC-BY des "Unterwasserfisch"-Bildes
Sehr geehrter Herr Weller,
ich bin seit längerem Mit-Leserin Ihrer Beiträge, bin aber beim OA nicht sonderlich aktiv.
Gerade jedoch habe ich die drei BEiträge von Ihnen, des Herrn Hilf und von ? überflogen.
Zwei Stichworte in der Kürze und gebotenen Eile der sich zu nehmenden Zeit zum Schreiben einer E-Mail, die zwar weder mit Veröffentlichungstäuschungsmanövern, dennoch aber schon der perspektivierenden Tendenz nach auch hier diskutiert wird, und mir in Erinnerung der drei BEiträge geblieben sind: Ich kann Ihnen eine erfreuliche Erkenntnis mitteilen, eine zu unterstellende Täuschung einer laufenden wissenschaftlichen Arbeit und der dabei - aus welchen Gründen auch immer - diese in diesen Täuschungs-Kontext immer wieder rücken zu wollen, und dies auch überraschenderweise ganz schnell justiziabel bzw. juristisch "verhandeln" bzw. begutachten oder rechtmäßig als solche nachprüfen zu wollen: Ich kann Ihnen versichern, dies setzt sich nicht durch! Mir wurde versucht, vorzuwerfen, wissenschaftliche Standards in meiner Forschungsarbeit nicht einzuhalten. Und wer sich mit der Arbeit von Erkenntnis-Findung etwas beschäftigt, weiß wie zeitaufwändig diese ist!
Auch hätte ich niemals damit gerechnet, hierzu auch eine Ladung zu einer Gerichts-Verhandlung zu erhalten, zumal auch eine eigens an der Universität bestellte Datenschutzbeauftragte mir ein hervorragendes Zeugnis hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten, der Sicherheit dieser und der Zusicherung der Daten-Anonymität ausstellte. Und dies vor Klage-Erhebung und Anklage! Ich war überaus überrascht, dass so etwas überhaupt möglich sein kann, angeklagt zu werden, wenn man wissenschaftliche Standards einhält. Auch fand ich überaus merkwürdig, dass Datenschutzbeauftrage vor Gericht nicht geladen war, um für mich auszusagen.
Aber auch während der Verhandlung vor Gericht zeigte sich, dass die mir unterstellten Behauptungen sich nicht durchsetzten. Und dies, - und dies ist ebenso erstaunlich, ich als Beklagte auch nichts sagen durfte. Im Gegenteil - ich soll auch gegenwärtig dazu gedrängt werden, Mutmaßungen zuzustimmen, die de facto nicht nur nicht passiert sind, sondern auch von autorisierten Seiten, wie z. B. der Datenschutzbeauftragten, ganz klar für mich sprechen!
Ich weiß nicht, wie diese - für mich - sehr erfreuliche Erkenntnis - auch vor dem Hintergrund der hier geführten kleinen Forums-Debatte begründet werden kann: Wie ist das, sich vor Täuschungen zu schützen, aber auch zu "beweisen", solche gar nicht zu beabsichtigen? Überhaupt nicht auf die Idee zu kommen? Was soll das für eine wissenschaftliche Arbeit sein, die ein solches Erkenntnisinteresse verfolgt?
Bis auf Weiteres,
beste Grüße,
Susann Sirotkin-Schlegel
Gesendet: Samstag, 05. Oktober 2013 um 21:12 Uhr Von: "Michael Weller" <weller@eear.eu> An: "Expertenforum für die Informationsplattform Open Access (http://open-access.net/)" <ipoa-forum@lists.fu-berlin.de> Betreff: Re: [IP-OA_Forum] Problem von CC-BY des "Unterwasserfisch"-Bildes
Hallo und guten Abend, zusammen!
> Aber zum "Problem": Ich denke, bezgl. der "Integrität" liegt seitens
> der Wissenschaftlerin eine von "uns" geförderte Fehleinschätzung vor,
> dass man das *ganze* Thema durch Lizenzen abhandeln könnte/sollte.
Das trifft zu: Lizenzen nehmen dem Wissenschaftler - gleich ob Lizenzgeber oder Lizenzgeber, die Verantwortung nicht ab, sich an die außerhalb der Lizenz geltenden Regeln zu halten. Die Lizenzen können nur dabei helfen, eine Nutzung zuzulassen und damit zu fördern, die ohne sie nicht möglich wäre. Sie sind aber nicht die Lösung oder Korrektur jedes wissenschaftlichen Fehlverhaltens, gleich ob justiziabel oder nicht.
> M.E. sollten wir erst einmal das (so) nicht-justiziable Thema "gute
> wissenschaftliche Praxis" voranstellen. Einem verfälschenden Zitat
> wird man in der Wissenschaft kaum juristisch begegnen *wollen*
> (vielleicht nicht einmal unter Bezug auf das Urheberrecht können).
Wird korrekt zitiert, benötigt man keine Lizenz des Urhebers, die Erlaubnis zum Zitieren hat man von Gesetzes wegen. Dabei wird nicht unterschieden, ob das Zitiat dazu dient, die eigene Meinung zu bestätigen oder es als Hinweis auf eine abweichende Meinung herhalten soll. Da der Zitierende die durch das Zitat in Bezug genommene Quelle interpretiert, ist es m.E. schwierig, bei korrekten Zitaten von "Verfälschen" zu sprechen. Fehlinterpretationen sind aber denkbar und es ist ebenso denkbar, dass sich Fehlinterpretationen verbreiten und fortpflanzen. Wird nicht korrekt zitiert, rettet das auch keine Lizenz, so dass man auch insoweit nicht von "Verfälschen" sprechen sollte, sondern es ist m.E. ein Fehlverhalten - immer auch justiziabel.
> Und
> wenn wir uns schon an das Zitierverfahren von Text anlehnen: Kein
> Wissenschaftler erwartet, dass ein anderer Autor ihn/sie vor dem
> Zitieren fragt oder gar um schriftliche (justiziable) Erlaubnis bittet
> ...
Genau diese Nachfrage des Zitierenden beim Urheber nimmt das Gesetz dem korrekt Zitierenden ab. Dazu braucht es die Lizenz nicht.
>
> Allerdings gibt es ja die sog. Urheberpersönlichskeitsrechte / moral
> rights, auf die auch Creative Commons hinweist (*), die entstellendes
> Zitieren wohl justiziabel machen - und zwar sogar unabhängig von der
> Lizenz unter der eine Schöpfung veröffentlicht worden ist (?).
Eine "Entstellung" im Sinne des Urheberpersönlichkeitsrechts lassen auch die Creative Commons Lizenzen nicht zu - das ginge auch gar nicht, weil über den urherberpersönlichkeitsrechtlichen Entstellungsschutz nicht wirksam verfügt werden kann. Ich frage mich aber gerade, wie eine Entstellung durch Zitat aussehen könnte. Wird korrekt zitiert, kann ich mir nicht vorstellen, dass dergestalt in den Charakter des zitierten Werkes eingegriffen wird, dass dieses durch das korrekte Zitat entstellt werden könnte. Die typischen Fallgestaltungen, für die der urheberpersönlichkeitsrechtliche Entstellungsschutz konzipiert ist, greifen hier m.E. nicht. Man mag das Werk eines anderen vielleicht noch in einen unpassenden Kontext rücken können.
Auch eine lizenzgerechte Nutzung - z.B. eine Bearbeitung, die durch die Lizenz dem Lizenznehmer ausdrücklich erlaubt wird - kann wohl nur im Ausnahmefall zu einer "Entstellung" führen. Der Begriff des Entstellens hat aber zugegeben etwas Wertendes und ist schwer handhabbar. Insoweit mag man sich vorstellen, dass weder korrekt zitiert wird, noch sich der Nutzende im Rahmen der Lizenz bewegt. Das scheint mir aber auf Fälle beschränkt, in denen das "zitierte" Werk in einen fehlerhaften Kontext gerückt wird oder die Bearbeitungsrechte überschritten werden.
>
> Was die NC-Klausel betrifft: Wir wissen ja Alle (?), dass der Begriff
> "kommerziell" mehr als nur schwammig ist. Dieses Problem ist ja auch
> im Zuge der CC Version 4 lange diskutiert worden (**). Man könnte z.B.
> fragen, ob die privatrechtlich organisierte Jacobs Uni in Bremen bei
> einer NC-Lizenz die PLoS Artikel dann noch zur Forschung und
> Ausbildung nutzen dürfte ... oder ob ein Wissenschaftler die Bilder in
> seinem Blog verwenden darf, wenn dieses durch Werbung finanziert ist
> (Ist "Powered by WordPress" bereits Werbung?).
Der Begrff der Werbung wird allgemein so definiert, dass darunter - hier nur sinngemäß und verkürzt wiedergegeben - jedes Handeln zu einem Zweck verstanden wird, das dazu geeignet ist, den eigenen oder fremden Absatz von Waren oder Dienstleistungen zu fördern. Das ist ein recht weiter Begriff.
Aber bitte verwechseln wir nicht Handlungen, die auf der Grundlage des Gestzes erlaubt sind, und solchen Handlungen, die nur vorgenommen werden dürfen, weil es der Rechteinhaber ausdrücklich zugestanden hat: Natürlich darf der Wissenschaftler, der an einem bezahlten Forschungsprojekt arbeitet, auch NC-lizenzierte Werke "nutzen". Er ist jedoch auf ein Nutzen beschränkt, wie bei allen anderen nicht CC-lizenzierten Werken auch. Damit beschränkt sich sein Nutzungsrecht im Wissenschaftskontext im Wesentlichen auf das gesetzlich zugelassene Zitieren - wie oben gezeigt. Nachnutzungen, die ausschließlich deshalb vorgenommen werden dürfen, weil es durch die Lizenz erlaubt ist, darf der Wissenschaftler aus meinem Beispiel nicht vornehmen. Die Lizenz ist aber ausdrücklich nicht darauf gerichtet, die Rechte, die der Nutzer aufgrund der urheberrechtlichen Schranken hat, auszuhebeln oder in irgendeiner Weise zu beschneiden. Wenn man lizenziert, muss man sich also fragen, was man bereit ist, über die gesetzlichen Rechte hinaus an Nutzungen im Vorhinein zuzugestehen.
Warum man aus meiner Sicht in der Wissenschaft auf "NC"-Lizenzierungen verzichten sollte: weil durch eine derartige Lizenzierungen jede Forschung, mit der der Wissenschaftler für sich wirbt - Impact-Factor (?!) -, nur noch im Rahmen der gesetzlichen Schranken zulässig ist und es faktisch keiner CC-Lizenzierung mehr bedürfte. Bei strenger Auslegung ist damit jede Forschung, die Visitenkarte des Wissenchaftler sein soll "Werbung" für eigene (Forschungs-)Dienstleistungen. Setzt man diesen Begriff mit "Erwerbsförderung" und mit "kommerziell" gleich, kann sie nicht auf der Grundlage der eine NC-Klausel enthaltenden Lizenz, sondern nur im Rahmen der gesetzlichen Rechte erfolgen. Das ist aber klar gegen den OA-Gedanken.
>
> Zur guten Zitierung in öffentlichen oder "kommerziellen" Medien: Gute
> wiss. Praxis kann man da nicht erwarten. Da gibt es m.E. nur zwei
> Varianten
>
> * man macht es ihnen kompliziert (inkl. Nachfrage), dann wird das
> Bildmaterial entweder gar nicht oder eben unter Bruch der Lizenz
> genutzt
Ein Lizenzbruch würde zu gerichtlich durchsetzbaren Ansprüchen des Rechteinhabers führen - aber da kümmert sich außer dem Rechteinhaber niemand drum, auch keine Verwertungsgesellschaft oder Urheberschutzverein oder sonst irgendwer. Andererseits dürfte natürlich auch der kommerzielle Rundfunk zitieren - auch Bilder können zitiert werden. Aber vielleicht würde hier One-Stop-Shop für urheberrechtliche Nutzungsrechte an wissenschaftlichen Werken helfen? Dann hätte der Verwerter nicht die Mühe, den Urheber und seine Kontaktdaten erstmal ausfindig zu machen, sondern könnte sich an eine zentrale Stelle wenden und hätte Klarheit.
> * wenn man seine Bilder in Medien, insb. Fernsehen sehen will macht
> man es ihnen leicht - sowohl lizenztechnisch (etwa CC-BY) als auch
> durch einen einfachen Urhebervermerk (etwa "A. Boetius, AWI"),
> siehe als Bsp. DLR (***).
Was dem kommerziellen Medium erleichtert, korrekt zu zitieren - vielleicht ist unter diesem Blickwinkel CC-BY auch eine kleine "Erziehungsmaßnahme" zum korrekten Zitieren - und zitiert werden wollen alle Wissenschaftler.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Michael Weller
Rechtsanwalt
Geschäftsführer
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