Liebe Frau Bongartz, besten Dank für Ihren Impuls! Ich erlaube mir anzumerken, dass das Thema Identitätsdiebstahl zum Erbgut des Predatory Publishing gehört, da ja bereits in der Vergangenheit namhafte Forschende ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung als Herausgebende von Fake Zeitschriften gelistet wurden (vgl. dazu den Beitrag „Predatory Publishing - Herausforderung für Wissenschaftler/innen und Bibliotheken“ von Ginther und Lackner (2019) in o|bib https://doi.org/10.5282/o-bib/2019H2S17-32). Neu ist aus meiner Sicht daher nur, dass dank KI jetzt ein solcher Identitätsdiebstahl auch auf Ebene einzelner Artikel möglich ist. Der potentielle individuelle Schaden ist auf jeden Fall hoch. Aber nicht nur das. Ich erinnere hier an die „Fake Science“ Debatte aus dem Jahr 2019, in der sich dann Hochschulen dem Vorwurf ausgesetzt sahen, zu wenig gegen derartige Praktiken zu unternehmen. Auch wir beraten unsere Forschende zum Thema Predatory Publishing und unterstützen erfolgreich dabei, in diesen Verlagen/Zeitschriften getätigte Einreichungen zurückzuziehen. Die Beratungen sind teilweise zeitintensiv, betreffen aber wie an der TIB die „klassischen Fälle“. Die große Herausforderung im Umgang mit der neuen Spielart des Predatory Publishing besteht darin, dass die gängigen Aufklärungspraktiken hier nicht greifen, da die Forschenden ihr Verhalten ja nicht ändern können. Sie reichen ja eben nicht in der falschen Zeitschrift ein und in den meisten Fällen dürfte ihnen die „Nachnutzung“ ihrer Identität unbekannt sein. Aus meiner Sicht benötigen wir an erster Stelle ein koordiniertes Monitoring, dass derartige Praktiken zeitnah aufdeckt. In einem zweiten Schritt könnten dann die betroffenen Forschenden bzw. Einrichtungen informiert werden und entsprechende Schritte einleiten. Hier wäre dann natürlich auch eine abgestimmte beratende Unterstützung und ein Informationsaustausch zwischen den Akteuren sehr wertvoll. Das Monitoring ist voraussetzungsvoll. Da diese Zeitschriften nicht in den gängigen Nachweissystemen aufgeführt werden, fliegen sie unter dem Radar. In den Verlagszeitschriften des Anbieters Prime Scholar ist nicht nur der JIF, sondern selbst die DOI gefakt. Die betroffenen Autor/-innen können daher leider nicht über eine Auswertung der Crossref- oder DataCite-Daten identifiziert werden. Die Angabe der ORCIDs fehlt ebenfalls. Um die Relevanz des Problemes abschätzen zu können, müsste man somit die relevanten Metadaten per Webharvesting erschließen. Gibt es weitere Kolleg/-innen, die an einem Mittun interessiert sind und ihre Erfahrungen einbringen können? Beste Grüße Michael Wohlgemuth Referent Open Access Finanzieren Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Abteilung Bestandesentwicklung und Metadaten 01054 Dresden Besucheradresse: Zellescher Weg 18 | 01069 Dresden Tel.: +49 351 4677-326 E-Mail: Michael.Wohlgemuth@slub-dresden.de https://orcid.org/0000-0002-7280-5284 Von: Schmeja, Stefan <Stefan.Schmeja@tib.eu> Liebe Frau Bongartz, vielen Dank für den Hinweis auf diese neue (und noch unschönere) Spielart des Predatory Publishing. Sie haben recht, dass es wenig Informationen gibt, wie man im Schadensfall damit umgeht – was daran liegen mag, dass es wohl kein allgemein gültiges und erfolgsversprechendes Verfahren gibt. Bei den Open-Access-Tagen 2019 haben wir das Thema in einem Workshop diskutiert und Erfahrungen ausgetauscht, aber ein Patentrezept war leider nicht dabei: https://doi.org/10.5281/zenodo.3559894 Wir hatten in letzter Zeit zwei Mal Erfolg damit, Publikationen bei vermutlichen Predatory Journals zurückziehen zu lassen (ohne irgendwelche rechtlichen Schritte), aber das waren jeweils „klassische“ Fälle (seriöse Arbeit aus Versehen/Unwissen bei einer fragwürdigen Zeitschrift eingereicht). Bei dieser neuen Spielart mit Identitätsdiebstahl dürfte das vermutlich wesentlich schwieriger werden. An einem Austausch oder (positiven wie negativen) Erfahrungsberichten wäre ich auch interessiert. Beste Grüße Stefan Schmeja -- Dr. Stefan Schmeja Technische Informationsbibliothek (TIB) Bereich Publikationsdienste Welfengarten 1 B // 30167 Hannover Tel. +49 511 762-4209 Von: leibniz-ak-openaccess-request@listserv.dfn.de <leibniz-ak-openaccess-request@listserv.dfn.de> Im Auftrag von Bongartz, Elke Liebe Kolleginnen und Kollegen, über diese Listen möchte ich auf den predatory OA-publisher Prime Scholars hinweisen, der neue, sinnentstellte Inhalte auf der Basis von referierten Artikeln vermutlich auch mit KI generiert und diese namhaften Wissenschaftlern zuschreibt. Es handelt sich hier um Identitätsdiebstahl, Urheberrechtsverletzung und Reputationsschädigung für Wissenschaftler und ihre mitgenannten Einrichtungen. Das Vorgehen wird hier beschrieben https://www.insidehighered.com/news/2023/02/10/leading-scientists-worldwide-are-victims-fake-articles Von einer CC BY-Lizenz kann dies nicht abgedeckt sein. Der predatory publisher selbst reagiert auf die Aufforderung betroffener Wissenschaftler, die Inhalte zu entfernen, zögerlich bis überhaupt nicht. Ein solcher Fall ist auch bereits in der Leibniz-Gemeinschaft vorgekommen. Bekannt ist auch mindestens ein Fall an einer niederländischen Universität. Bei der Polizei wurde Strafanzeige gestellt, Rechtsabteilung, lokale und zentrale Ombudspersonen und indexierende Anbieter sind informiert. Meiner Wahrnehmung zufolge gibt es viel Aufklärung darüber, wie man solche Journals oder Verlage erkennt (Prävention), aber nicht, wie man vorgehen kann, wenn der gute Name bereits seit Monaten unbemerkt ruiniert wurde. In den bekannten Fällen waren es auch eher die Wissenschaftler selbst, die in zu gutem Glauben in fragwürdigen Zeitschriften eingereicht haben. In vielen OA-Beratungen ist Umgang mit einem Schadenfall sicher noch nicht in den Standard-Workflow aufgenommen. Was m.E. auch noch ausbaufähig ist, ist die breite Streuung und Diskussion in der OA-Community sowie Meldewege. Wäre dies wünschenswert? Wenn Sie hierzu weitere Informationen haben oder mehr vergleichbare Fälle kennen, freue ich mich. Viele Grüße Elke Bongartz Dr. Elke C. Bongartz Leitung Bibliothek Head of Library Abteilung Forschungsinfrastrukturen Department Research Infrastructure Deutsches Institut für Erwachsenenbildung Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e. V. German Institute for Adult Education Leibniz Centre for Lifelong Learning Heinemannstr. 12-14
Das DIE auf LinkedIn, Facebook und Twitter. Sitz des Vereins ist Bonn eingetragen beim Amtsgericht Bonn, VR 8201 Das DIE ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft und ist zertifiziert mit dem Siegel „audit berufundfamilie“. |
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