To: Expertenforum für die Informationsplattform Open Access (http://open-access.net/) <ipoa-forum@lists.fu-berlin.de>
Date: Thu, 26 Oct 2017 17:29:48 +0200
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Subject: Re: [IP-OA_Forum] Verlagsveträge: Copyright Transfer + CC-Lizenz
Lieber Herr Herb,
nach meinen Erfahrungen mit Copyright
Transfer Agreements und License Agreements ist der von Ihnen beschriebene
Fall eher die Regel aus die Ausnahme.
Ich sehe eine Strategie hinter dieser
Praxis.
Die Strategie dieser Verlage heißt:
Nimm dem Urheber so viele Rechte ab, wie nur irgend möglich und gib ihm
nur so wenig wie möglich einfache Nutzungsrechte zurück.
Erst wenn es starken Widerstand dagegen
gibt, gib dem Urheber eine weitere dünne Scheibe von der Verwertungsrechte-Salami.
Dadurch dass die Inhalte der sogenannten
Copyright Transfer Agreements (CTA) in den letzten Jahren mehr und mehr
auch außerhalb der betroffenen Autorenschaft bekannt und diskutiert worden
sind,
haben einige Verlage mit den Jahren
den geforderten Rechteumfang reduziert und dem Urheber etwas mehr überlassen.
Das New Journal of Physics startete
1998 als reine Golden OA-Zs. Mit einem CTA, das den Urhebern alle möglichen
Verwertungsrechte abgenommen hat und keine Auswahl einer offenen Lizenz
angeboten hat.
Seit einigen Jahren kommt mit der Umstellung
auf CC-Lizenzmodell der Urheber wenigstens in den Genuss dieser CC-Lizenz.
Mehr als die CC-Rechte erhält er nicht. Im CTA muss er immer noch alle
Rechte an den Verlag (IOPP) abtreten
(so jedenfalls im letzten mir vorgelegten
CTA).
Erfreut war ich letzte Woche, als ich
ein License Agreement von Wiley vorgelegt bekam. Dort lässt sich der Verlag
nur ein einfaches Nutzungsrecht vom Urheber abtreten, der Urheber behält
seine Verwertungsrechte
und kann für seine Veröffentlichung
zwischen CC BY und CC BY-NC wählen, wobei die Höhe der APC für beide Lizenzmodell
dieselbe ist. Ich nehme an, dass bisher nur wenige Verlage so fair mit
ihren Autoren umgehen.
Bei Wiley muss das aber nicht für alle
Zeitschriften gelten, denn Verlage verwenden Zeitschriftenspezifisch z.T.
unterschiedliche CTAs (gemäß oben skizzierter Salami-Taktik).
Wir sollten bei dieser Diskussion auch
Bedenken, dass bis zur Urheberrechtsreform 1965 zu 1966 für Beiträge in
periodisch erscheinenden Sammlungen (u.a. Zeitschriften, Konferenzbände),
das exklusive Verwertungsrecht ein Jahr
nach dem Erscheinen wieder an den Urheber zurückgefallen ist und der Verlag
nur noch ein einfaches Verwertungsrecht behalten hat.
Mit dieser urheberrechtlichen Regelung
konnte das Verlagswesen vor 1966 ganz gut gedeihen und hätte es auch danach
gekonnt und heute ebenso.
Aber als dann mit der UrhG-Reform von
1966 in § 38 "Beiträge zu Sammlungen" (1) der kleine Nebensatz
"wenn nichts anderes vereinbart ist" hinzu kam (ohne öffentliche
Diskussion!),
begannen die "Autorenverträge"
für Zeitschriftenartikel (CTA) wie Pilze zu sprießen. Ohne diesen Nebensatz
gäbe es (zumindest nach deutschem Recht) keine Rechtsgrundlage für dauerhafte
exklusive Rechteabtretung zu Zeitschriftenartikeln an Verlage.
Autoren veröffentlichen in Zeitschriften
verschiedener Verlage und werden deshalb mit unterschiedlichen CTAs konfrontiert,
mit denen sie sich am liebsten nicht auseinander setzen möchten
(und sich deshalb z.B. von der lokalen
Bibliothek beraten lassen).
Ich denke, wenn sich die Wissenschaftsgemeinschaft
(incl. Fachgesellschaften) weltweit solidarisieren würden, wäre ein Set
von wenigen (evtl. disziplinspezifischen) für rechtliche Laien verständliche
CTAs bzw. License Agreements durchsetzbar.
Es wären dann die Gemeinschaft der Urheber,
die bestimmen, welche Rechte sie behalten, welche Sie dem Verlag abtreten
und welche Lizenzen Sie für die Öffentlichkeit anbieten.
Verlage, die nicht darauf eingehen,
müssten fürchten keine Manuskripte mehr zu erhalten.
Verlage wären nicht mehr Eigentümer
von Inhalten und exklusiven Verwertungsrechten, sondern würden auf die
Rolle als Dienstleister zurückgedrängt.
(Ob wir das noch erleben ;-))
Besten Gruß
Joachim Meier
____________________________________________________
Dr.-Ing. Joachim E. Meier
Referatsleiter Q.11, Wissenschaftliche Bibliotheken
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) (http://www.ptb.de)
PF 3345 Tel. +49-531-592-8131
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GERMANY E-mail:
Joachim.Meier@ptb.de
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Von:
Ulrich Herb <u.herb@sulb.uni-saarland.de>
An:
Expertenforum für die
Informationsplattform Open Access (http://open-access.net/)
<ipoa-forum@lists.fu-berlin.de>
Datum:
26.10.2017 16:35
Betreff:
[IP-OA_Forum]
Verlagsveträge: Copyright Transfer + CC-Lizenz
Liebe Liste,
auf die Gefahr hin, mir eine Blöße zu geben: Ich las kürzlich einen Publikationsvertrag,
in dem der Autor dem Verlag die exklusiven Rechte abtreten sollten und
der Artikel vom Verlag unter CC BY gestellt werden sollte. Auf den ersten
Blick wirkt diese, mir als gängig bekannte Praxis nur umständlich und ich
frage mich, ob dahinter eine Absicht des Verlages steckt, die mir nicht
auffällt.
Ich selbst bin mit einem ähnlichen Arrangement mal schlecht gefahren, denn
der Verlag publizierten meinen (Buch)Beitrag zwar CC BY, stellte ihn aber
auf einer Plattform auch zum Verkauf. Zum Glück war ich nicht alleine Leidtragender,
sondern auch andere Personen, die sich mit OA auskennen. Der aktuelle Fall
unterscheidet sich von dem vergangenen dadurch, dass nun explizit garantiert
wird, dass der Artikel vom Verlag immer unter CC BY angeboten wird.
Vielleicht bin ja paranoid, aber was bezweckt der Verlag mit diesem Copyright
Transfer zur CC-Lizenzierung? Sebastian Nordhoff mutmaßte Verlage, hätten
keine Ahnung von Lizenzierung, https://twitter.com/twig2noise/status/922941480125202433
- was ich auch für möglich halte. Aber vielleicht gibt es ja doch
eine Strategie hinter dieser Praxis, die ich nicht sehe.
Viele Grüße
Ulrich herb
--
Dr. Ulrich Herb
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