Lieber Kollege,Sie unterstellen, dass die Tätigkeit der Verlage sich darin erschöpfe "ein paar Emails rumzusenden und eine PDF Datei auf einen Web Server abzulegen".
Als Gründer und langjähriger Chief Editor einer mittlerweile durchaus "hochrangigen" Zeitschrift (OA, APCs sind waived) kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung versichern, dass ein seriöser Verlag durchaus sehr viel mehr tut, etwa Lektorat und "Setzen" des Textes. (Wobei die von ihnen verbal abgetanen Funktionen infrastrukturell durchaus nicht trivial sind. Z.B.: Es mag ja sein, dass Sie immer noch "Dateien ablegen" - mit der technischen Realisierung nach dem Stand der Technik hat das nichts zu tun; ebenso ist es technisch beim Einholen der Gutachten mit "ein paar Emails" nicht getan.)
Beschränken sich Ihre Erfahrungen mit Zeitschriften/Verlagen womöglich auf Amateurveranstaltungen einerseits und die Abonnement-Konglomerate andererseits?
Da ich mittlerweile einen etwas tieferen Einblick bei meinem Lieblingsverlag(*) habe (https://www.copernicus-gesellschaft.org/member.html), kann ich Ihnen versichern, dass ein APC-Niveau von etwa 1.000 Euro pro Artikel durchaus angemessen ist, wenn Mitarbeiter ordentlich bezahlt werden. Natürlich kann man einen Zeitschriftenserver an einer Uni ohne APCs betreiben, wenn das "Verlags"-Personal (etwa: Doktoranden) die Arbeit in Selbst(?)ausbeutung bzw. in "Umwidmung" anderer Mittel erledigen und Server "sowieso" bezahlt und administriert werden. Diejenigen, die sich grundsätzlich oder in der konkreten Höhe gegen APCs stellen, sind m.E. erst einmal in der Pflicht als Vergleichsmaßstab die Kosten pro Artikel bei Abo-Zeitschriften zu ermitteln - also Anzahl der Artikel/gesamte Abo-Einnahmen des Verlags.
mit besten Grüßen, Hans Pfeiffenberger(*) Dieses mit Bedacht gewählte Wort soll auch als implizite Deklaration des "conflict of interest" dienen. Bis auf die Kostenerstattung der Teilnahme an einigen Workshops (z.B. COPDESS) und Meetings (z.B. des Copernicus e.V.) habe ich kein Geld von Copernicus erhalten. Das soll bei einigen Chief Editors von "angesehenen Zeitschriften" der Konglomerate deutlich anders laufen ...
Am 05.10.20 um 19:58 schrieb Thomas Krichel:
Nora Schmidt writesIch denke, wir sind uns einig, dass das "Räuberische" an zu Recht kritisierten Publisher-Geschäftsmodellen doch ist, wenn irreführend behauptet wird, dass Qualitätssicherungsmaßnahmen durchgeführt werden.Ich bin nicht einig. Egal was für eine Qualitätskontrolle durchgeführt, sie wird in der Regel von unbezahlten Leuten gemacht. Also die Verlage kriegen Hunderte, oder Tausende von Euros, grob gesagt, um ein paar Emails rumzusenden und eine PDF Datei auf einen Web Server abzulegen. Das sind Handlangertätigkeiten. Wenn ich sehe dass meine Freundin hier im Globalen Norden, sogar dem hohen, für einen Stundenlohn von z.Z umgerechnet 94 Cent pro Stunde 12-Stunden Schichten ans Fließband arbeiten geht ... da könnte die mit drei Artikeln ihren ganzen Jahreslohn verdienen. Solange Verlage nicht nachweisen, dass Gutachter bezahlt werden sollte keinen Schilling an OA Verlage gezahlt werden... und wenn dann auch nur einen kleinen Zuschlag an den Kosten, die nachweislich für Gutachter ausgegeben werden. Und selbst dann würde ich immer noch von Autoren Nachweise verlangen dass sie es nicht packen in eine billigerer Zeitschrift mit beschränkten Zugang reinzukommen. Machen wir doch uns doch nichts vor. Die meisten Zeitschriften die hohes Ansehen haben noch beschränkten Zugang. Da kann man also billiger rein. Wenn man das nicht packt ... ei warum soll man solche zweitklassigen Autoren auch noch subventionieren?
-- Hans Pfeiffenberger Consultant, scientific data infrastructures & policies www.hans-pfeiffenberger.de