Liebe Frau Schubert,
liebe Runde,
als Herausgeber einer OA Zeitschrift bei Copernicus Publications kann ich Ihnen folgendes berichten:
- der Verlag macht sehr viel bei der Aufbereitung der Manuskripte von Word (in der üblichen "Qualität") zu wohlformatiertem HTML und XML sowie druckbarem PDF
- er unterstützt topical und Chief-Editors, insb. indem die Mitarbeiter viele technische Fragen von Autoren, Reviewern, Editoren schon beantworten, liefert Statistiken etc.
- kümmert sich darum, dass Zeitschriften in Abstracting Services (Web of Knowledge, aka ISI; Scopus, etc) aufgenommen werden
etc. etc. etc.
Copernicus nimmt APCs, ca. 800-1000 EUR je nach Umfang des Manuskripts. Allerdings sind die APCs gewaived solange eine Zeitschrift noch nicht bei ISI ist, vielleicht sogar darüber hinaus. D.h. im Endeffekt: Mit den APCs gut laufender Zeitschriften wird auch
der Start neuer, innovativer Zeitschriften finanziert (wie bei den anderen Verlagen auch). Und danach, wie üblich, hat der Chief/Exec Editor 10% Freiraum, APCs zu waiven.
Hatte ich schon erwähnt, dass Copernicus not for profit ist?
http://www.copernicus.org/facts_and_figures.html
Oh! und trotzdem APCs? ... und deutlich mehr als 50 EUR!
Jeder, der meint man könnte ein Journal oder gar einen Verlag "umsonst" oder nebenbei machen, lügt sich und anderen in die Tasche:
- Tatsächlich will dann da jemand seine Arbeitszeit und die der eingespannten Kollegen/Mitarbeiter mit Null Euro bewerten, auch wenn der Steuerzahler dafür zahlt. Dann kommt das Argument: "Ich mache das nach Feierabend". Das wird dann aber nicht mehr lustig,
wenn es sich um technische Routine-Arbeiten handelt, s.o.
- und außerdem muss man ja nach Feierabend die Artikel schreiben, die einem den nächsten Job oder Grant einbringen. Anders gesagt: Der Herausgeber und ein, zwei Editoren mögen ja Reputation durch das Journal gewinnen, aber kaum die Leute, welche die "eigentliche
Arbeit" (den mühsamen Detailkram) neben ihrer Promotion oder Post-Doc Arbeit tun. Deren Chancen werden also ausgebeutet. Ich ziehe es jedenfalls vor, dafür Leute bei einem Verlag ehrlich zu bezahlen.
- und wenn die Leute erst mal im Rahmen eines (DFG-)Projektes bezahlt werden? Gut, aber irgendwann ist die Projektförderung vorbei. Vielleicht zahlt noch jemand für weitere Innovationen. Aber die Betriebskosten im Alltag bestimmt nicht.
- wer, außerhalb des Verlagswesens (oder Herausgeber, die damit durch sind), hat denn die Kenntnisse und Erfahrungen mit Abstracting Services etc:? Das ist kein Job für Laien.
Schlussfolgerung: Wenn "öffentlich", dann müsste es also so etwas wie ein Universitätsverlag machen - eine professionelle, dauerhafte Infrastruktur. Aber auch die braucht Einnahmen und die Uni X wird nicht für die Journalidee von der Uni Y zahlen wollen (und
ich brauche ja wohl nicht betonen, dass es Unfug wäre, aus diesem Grunde einen Verlag an jeder Uni zu fordern?). Und OUP und Konsorten sind ja auch nicht durch niedrige Preise aufgefallen... Also kann man es auch mit Copernicus-artigen Konstruktionen machen:
Da hat man not-for-profit, trotzdem die Vorteile der "freien Wirtschaft" und kann die Leute auch noch anständig bezahlen.
Übrigens: Wenn es denn so wichtig ist, dass sich Unis engagieren - warum finde ich dann keine *deutschen* Unis hier bei OAPEN?
http://www.oapen.org/peerreview?page=intro (Grüße nach Österreich !!)
beste Grüße,
Hans Pfeiffenberger
Am 04.09.15 um 09:58 schrieb Prof. Dr. Charlotte Schubert:
Lieber Herr Kohle, liebe Runde,
ich befürworte die Richtung „in öffentliche Hände legen” für die wissenschaftlichen Publikationen schon lange. Wissenschaft ist fast immer eine öffentliche Angelegenheit und ich halte die Kosten der Wissenschaftsverlage für im wesentlichen von
Marketing, Infrastruktur (derzeit kostenträchtige Umstellung auf ePublishing), Gewinnzwang etc. verursacht. Es geht um
ca. 500 Mio/a, die im deutschen Wissenschaftspublikationssystem aus diversen öffentlichen Quellen finanziert werden. Das ist ein Kuchen, in dem es sich für die kommerziellen Akteure lohnt!
Wirkliche Redaktionsarbeit wird aber von fast keinem Wissenschaftsverlag mehr gemacht, sondern dies wird von den ehrenamtlich tätigen Herausgebern und deren Mitarbeitern/Hilfskräften in der Wissenschaft übernommen. Die deutschen Universitätsbibliotheken
steigen bekanntlich - im Zusammenhang mit den Möglichkeiten der Internetpublikation und auch der Umorientierung der DFG - derzeit in diesen Bereich der Wissenschaftspublikation ein. Das zeigt, daß die Richtung auch tatsächlich in „in öffentliche Hände legen”
geht.
Zusammen mit meinen Mitherausgebern habe ich ein neues OA eJournal für die digitalen Altertumswissenschaften gegründet (Digital Classics Online:
http://digital-classics-online.eu/):
Wir bekommen eine gute Anschubfinanzierung von der DFG, aber wir haben uns auch verpflichtet, danach mit eigener Kraft und Haushaltsmitteln weiterzumachen (Herausgeber, Mitarbeiter, Hilfskräfte). Da das nach meiner - langjährigen - Erfahrung sowieso der alltäglichen
Realität der Redaktionsarbeit entspricht, bin ich auch zuversichtlich, das wir das schaffen.
MbG
Charlotte Schubert
Prof. Dr. Charlotte Schubert
Lehrstuhl für Alte Geschichte
Historisches Seminar
Universität Leipzig
Beethovenstr. 15
04107 Leipzig
Tel.: 0341/9737071 und 0178/8324518
Liebe alle
ich bin nicht über die Einzelheiten der Kostenkalkulationen informiert und auch nicht über die der sich darum herum rankenden Diskussionen, stelle aber folgende Frage: Wer legt eigentlich diese exorbitante Höhe fest? Wir machen ja in München die sehepunkte.
Da kommen im Jahr ca. 1000 Texte zusammen. Das wird von einer Reihe von Herausgebern und verteilten Redakteuren gemacht, die das umsonst erledigen (wie überall in diesem Geschäft, ob OA oder traditionell), zentral von einem halben wiss. MA und ein paar Hilfskräften.
Zusammen mit den Serverkosten sind das ca. 50.000 Euro im Jahr, also 50 Euro pro Rezension. Okay, das sind keine ausgewachsenen Aufsätze und wir machen auch kein double blind peer review (ein Fetisch, der nur verhindert, dass man sich mehr mit nachgelagerten
Bewertungsmethoden beschäftigt, die im Internet sowieso anstehen), aber zwischen 50 Euro und den mehreren Tausend, von denen da immer so die Rede ist, klafft ja auch eine Riesenlücke. Es ist doch kein Wunder: Wenn man die Verlage berechnen lässt, was das kostet,
ist es natürlich viel. Vielleicht müssen wir das Publikationsgeschäft doch in öffentliche Hände bekommen!
Schöne Grüße an alle.
Hubertus Kohle
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Hans Pfeiffenberger
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