Liebe Alle,
dass Markteingriffe durch die öffentliche Hand stes reaktives Potential haben, zeigt sich an den Fehlentwicklungen, die der Finch-Report und die folgenden politischen Entscheidungen in den UK verursacht hat, wo "Gold Open Access" sich vor allem zu einer Goldgrube für die großen börsennotierten Verlage entwickelt hat. Insofern hat die DFG Weitblick bewiesen, im deutschen APC-Förderprogramm für die deutschen zentralen Publikationsfonds das hybride OA ausdrücklich nicht zu berücksichtigen und die Preisobergrenze von 2.000 EUR einzuführen. Die tatsächlichen Durchschnittspreise liegen glücklicherweise deutlich darunter, siehe https://github.com/OpenAPC/openapc-de Das genannte Förderprogramm der DFG verlangt hingegen ausdrücklich, dass die geförderten Universitäten Konzepte für die Verstetigung der Fonds zu entwickeln haben. Da kaum eine Institution irgendwo freies Kapital herumliegen hat, kann die Verstetigung nur mit Beteiligung der Fakultäten gelingen. Der Göttinger Workshop zur Verstetigung der Fonds https://www.open-access.net/community/weitere-veranstaltungen/workshop-publikationsfonds/ hat dies nochmals verdeutlicht. Werden Fakultäten an Kosten beteiligt, entwickeln sie rasch auch eine Preissensibilität, das erleben wir derzeit in Göttingen bei der Entwicklung von Verstetigungsstrategien. Zwar gibt es Bereitschaft aus den Fakultäten, auch die hochpreisigen (wie bereits in der Diskussion erwähnt, vollkommen überteuerten) OA-Artikel zu fördern, aber nur sehr selektiv. Durch die Betreuung des Fonds sind wir in der Bibliothek zudem in der für uns neuen Situation, dass wir Publikationsentscheidungen der Wissenschaftler quasi in Echtzeit mitverfolgen, und damit gelegentlich auch die Ernüchterung, dass sich in manchen Fällen auch ein preiswerteres Jounal gelohnt hätte. Meiner Meinung nach werden wir nur dann aus der Problematik der steigenden Preise aussteigen können, wenn bei denjeningen, welche die Publikationsentscheidung treffen -- die Autoren nämlich -- einige Problematiken weniger hart durchschlagen. Ich beschränke mich auf zwei: a) Ambitionierte Wissenschaftler in prekären Vertragssituationen werden nur selten altruistisch motivierte Publikationsentscheidungen treffen, sondern mit jeder Publikation die Maximierung ihres persönlichen symbolischen Kapitals suchen. Wenn das Evluierrungs- und Belohnungssystem auch noch genau dieses Verhalten besonders honoriert, wird sich am Status Quo auch durch Gegenrudern der Bibliotheken kaum etwas ändern. b) Der "positive bias" im Publikationswesen ist trotz seiner wissenschafltichen Problematik weiterhin vorhanden. Es wird noch lange dauern, bis eine erfolgreiche "high impact" Publikation nicht mehr vorrangig mit wissenschaftlicher Exzellenz konnotiert wird, sondern als mögliches Ergebnis einer *risikofreudigen* Dateninterpretation gelesen wird. Das legen zumindest die naheliegenden Korrelationen von hohen Zitationsraten und hohen Rückzugsraten in den entsprechenden Journals nach. Ansätze wie Server für niederschwellige Datenpublikationen von negativen/unklaren Forschungsergebnissen, Open Peer Review, Open Data etc. werden auf diesem Gebiet hoffentlich den Beginn eines langsamen Wandels bringen. Unser Weg in Göttingen ist ein mühsamer: wir versuchen die Zusammenhänge des wissenschaftlichen Publikationswesens in Lehr- und Informationsveranstaltungen zu vermitteln, Alternativen aufzuzeigen, Hilfe anzubieten. So nach und nach fruchtet es, aber auf die Wette, die Uli Herb Herrn Reckling anbietet, würde ich dennoch nicht eingehen. Ich befürchte, wir werden in 10 Jahren erst die ersten Ansätze einer Änderung sehen, also eine Verstetigung der Abflachung der Preissteigerungskurven, die aber noch deutlich über der Inflationskurve liegen wird. Noch auf ein Wort zu Frau Schubert: Sie haben vollkommen recht, dass die Publikationsfonds vorwiegend von den Naturwissenschaften beansprucht werden. Wenn Sie in Göttingen publizieren würden, hätten Sie trotzdem eine Förderung für einen OA Artikel sicher, weil die Förderung der weniger OA-affinen Fächer bei uns Teil der Fördergerechtigkeit ist. Allen einen schönen Tag, und hoffentilch sieht man sich an den OA-Tagen in Zürich! Margo Bargheer Margo Bargheer
Leitung Elektronisches Publizieren ǀ Head of Electronic Publishing ---------------------------- Georg-August-Universität Göttingen
Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen State and University Library Goettingen tel +49 (0)551 39-91188 ǀ fax +49 (0)551 39-22457 bargheer@sub.uni-goettingen.de www.sub.uni-goettingen.de ---------------------------- Universitätsverlag Göttingen ǀ University Press Goettingen * univerlag.uni-goettingen.de Elektronische Dissertationen ǀ Electronic Dissertations * sub.uni-goettingen.de/elektronisches-publizieren/ Institutional Repository * goedoc.uni-goettingen.de/goescholar/ ---------------------------- Open Access * www.open-access.net * www.openaire.eu Von: Prof. Dr. Charlotte Schubert [schubert@uni-leipzig.de]
Gesendet: Freitag, 4. September 2015 09:58 An: "Expertenforum für die Informationsplattform Open Access (http://open-access.net/)" Cc: Rieck, Katharina Betreff: Re: [IP-OA_Forum] Share of OA articles with APC vs. without: Data from the Austrian Science Fund (FWF) Lieber Herr Kohle, liebe Runde,
ich befürworte die Richtung „in öffentliche Hände legen” für die wissenschaftlichen Publikationen schon lange. Wissenschaft ist fast immer eine öffentliche Angelegenheit und ich halte die Kosten der Wissenschaftsverlage für im wesentlichen von
Marketing, Infrastruktur (derzeit kostenträchtige Umstellung auf ePublishing), Gewinnzwang etc. verursacht. Es geht um
ca. 500 Mio/a, die im deutschen Wissenschaftspublikationssystem aus diversen öffentlichen Quellen finanziert werden. Das ist ein Kuchen, in dem es sich für die kommerziellen Akteure lohnt!
Wirkliche Redaktionsarbeit wird aber von fast keinem Wissenschaftsverlag mehr gemacht, sondern dies wird von den ehrenamtlich tätigen Herausgebern und deren Mitarbeitern/Hilfskräften in der Wissenschaft übernommen. Die deutschen Universitätsbibliotheken
steigen bekanntlich - im Zusammenhang mit den Möglichkeiten der Internetpublikation und auch der Umorientierung der DFG - derzeit in diesen Bereich der Wissenschaftspublikation ein. Das zeigt, daß die Richtung auch tatsächlich in „in öffentliche Hände legen”
geht.
Zusammen mit meinen Mitherausgebern habe ich ein neues OA eJournal für die digitalen Altertumswissenschaften gegründet (Digital Classics Online: http://digital-classics-online.eu/):
Wir bekommen eine gute Anschubfinanzierung von der DFG, aber wir haben uns auch verpflichtet, danach mit eigener Kraft und Haushaltsmitteln weiterzumachen (Herausgeber, Mitarbeiter, Hilfskräfte). Da das nach meiner - langjährigen - Erfahrung sowieso der alltäglichen
Realität der Redaktionsarbeit entspricht, bin ich auch zuversichtlich, das wir das schaffen.
MbG
Charlotte Schubert
Prof. Dr. Charlotte Schubert Lehrstuhl für Alte Geschichte
Historisches Seminar
Universität Leipzig
Beethovenstr. 15
04107 Leipzig
email: schubert@uni-leipzig.de
Tel.: 0341/9737071 und 0178/8324518
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